Was bedeutet die zunehmende
Digitalisierung des Bridge im BC Yarborough e.V. nun für unsere Mitglieder,
unabhängig von der technischen Komponente? Wenn ich unseren Alterpräsidenten
Kurt mittags bei BBO treffe, dann werde ich zwar manchmal nicht gegrüßt, weil
Kurt noch Probleme hat gleichzeitig zu spielen und zu tippen, aber wenn ich
überlege, dass er mit seinen 73 Jahren bis vor einem Jahr noch nie an einem
Computer gesessen hatte, dann denke ich dass Internetbridge nicht das
Schlechteste ist. In Verbindung mit der Installation eines Bridgematesystems
zum Ausrechnen sorgt unsere Dupliziermaschine dafür, dass unsere Clubabende
inzwischen fast 20 Minuten früher enden (Kein Mischen, keine Notation). Dies
ist für unser Juniorenkonzept extrem wichtig, da die unter 16-jährigen jetzt
einigermaßen pünktlich zu Hause sind, was für mehr Akzeptanz und Unterstützung
von Seiten der Eltern sorgt. Ein Grossteil unserer Mitglieder spielt regelmäßig
bei BBO, was sich in einer spürbaren Verbesserung der Spielstärke bemerkbar macht.
Die Verwertbarkeit digitaler
Aufzeichnungen für den Spielbetrieb führte zu einem neuen Wettbewerb im Club,
der sich unter dem Namen „Play with the Stars“ großer Beliebtheit erfreut. Aufzeichnungen
gespielter Großveranstaltungen vergangener Jahre werden benutzt, um virtuelle
Teamkämpfe zu generieren. Jeweils 2 Paare des BCY spielen an Tisch 1 z.B. die
Hände 1-24 des Bermuda Bowl 1998.
Abgerechnet wird nach Teammodus mit den
damals anwesenden Spielern und Ergebnissen von Tisch 2. So können Sie bei uns
mit allen Bridgeberühmtheiten vergangener und aktueller Zeiten in einem Team
spielen. Dieser Wettbewerb findet von April bis Oktober unter reger Beteiligung
aller Mitglieder statt. Man trifft sich meistens gemütlich nach Vereinbarung
bei einem der Mitspieler zu Hause (im Sommer wird oft der Biergarten des
Stammlokals bevorzugt J) und
reicht das Ergebnis anschließend beim Moderator ein, der die Tabelle und den
Spielplan auf der Homepage pflegt.
Auch außerhalb unseres Clubs hat sich eine sehr aktive Internetgemeinschaft gebildet, die die verschiedensten Wettbewerbe und Turniere veranstaltet. Renommiertes Beispiel hiefür sei die 2006 erstmals ausgetragene Deutsche Onlinebridgemeisterschaft. Während im Clubbridge und für den „normalen“ Clubspieler sehr oft die soziale Komponente des Bridge sowohl im „wirklichen“ Leben als auch online im Vordergrund steht, stellt sich für Spitzenspieler sehr oft das Problem, gleichwertige Gegner zu finden. Auch hier eröffnen sich online völlig neue Perspektiven und es ist durchaus nichts Ungewöhnliches, unabhängig von den sehr gut besuchten VueGraph-Übertragungen einen Herrn Rodwell, Nunes oder Helgemo bei BBO zu treffen während er vor 500-800 Zuschauern mit einem meistens ebenso guten Partner spielt. Für einige Spieler in Deutschland stellte sich (auf einem anderen Niveau, haha) ein ähnliches Problem und so wurde angedacht, eine deutsche Onlineliga zu gründen. Die überwältigende Resonanz führte dazu, dass bereits im April 2006 der Spielbetrieb mit 9 Teams aufgenommen wurde. In harmonischer Atmosphäre wurde bis in den November hinein um IMPS und Siegpunkte gekämpft, bevor nach einem echten Finalthriller mit dem BC Hannover in der Besetzung Wagner, de Wiljes, Kaiser, Kaiser, Tavlan, von Alvensleben, Gutleben der erste Deutsche Meister feststand, die Abschlusstabelle:
1.) BC Hannover 139 SP +113 IMPS
2.) BC Halle 133 +88
3.) Nachteulen Lev. 132 +60
4.) U-20 Nationalteam 131 +55
5.) BC Stuttgart 124 +14
6.) BC
Yarborough e.V. 123 +20
7.) Alert Darmstadt 113 -34
8.) BC Mannheim 102 -90
9.) BC Saarbrücken 77 -226
Der Plan auf einer regionalen Zusammensetzung der einzelnen
Mannschaften zu bestehen musste früh aufgegeben werden, ist es im heutigen
Spitzenbridge doch gang und gebe, dass die einzelnen Mannschaftsmitglieder der
Ligateams aus der ganzen Republik kommen. Auch hier gewinnt das Onlinebridge
als Medium und Instrument zur Absprache, Vorbereitung und Training mehr und
mehr an Bedeutung, da der moderne Arbeitnehmer zwar mobil und flexibel ist,
aber deswegen leider kaum noch Zeit hat, mit seinem Ligapartner bei
Liveveranstaltungen zu spielen. Für 2007 ist eine Fortsetzung dieser
erfolgreichen Veranstaltung geplant, dann wird man wahrscheinlich bereits in
zwei Gruppen spielen müssen. Teams mit Interesse mitzuspielen können sich ja
bis 01. März unter bridge@bridgeball.de
melden; Spielbeginn ist Anfang April.
Und unsere
Kleinen? Auch sie erfahren, was es in einer immer kleiner werdenden Welt heißt,
via Internet über Bridge mit anderen in Kontakt zu kommen, Bridge zu spielen
und erste Kompetenzen in der Entwicklung ihrer Onlineidentität (Jawohl, so was
gibt es...) zu erwerben. Die Jugendanfängergruppen der Ursulinenschule und des
BCY sind in einem Bridgeprojekt mit einer Partnerschule in Atlanta (Georgia)
engagiert. Alle 2 Monate trifft man sich online, um gegeneinander 10 Boards zu
spielen. Auch hier werden die digitalisierten Boards anschließend nachbesprochen.
Je nach Ausbildungsstand und Talentdichte, gewinnen mal die einen, mal die
anderen, mal hoch mal knapp; wichtig sind hier jedoch eher die Kompetenzen, die
bridgeimmanent erworben werden. Englisch als Lingua Franca,
Computerqualifikation und die Erkenntnis, dass Junioren/Schulbridge weltweit
geschieht (auch wenn ein weak2 in sehr gewöhnungsbedürftig ist, wenn er das
erste Mal auftaucht J) sind
Prozesse, die nur durch das Internet und Onlinebridge als Transportmittel in
einem ökonomischen Rahmen initialisiert und in Gang gehalten werden können.
Fasst man alle in diesem Abschnitt erwähnten Punkte zusammen so lässt sich die
Analogie Internetbridge = Isolation, Vereinsamung, Mitgliederschwund in den
Clubs, etc. kaum noch aufrecht erhalten. Die Mitglieder, die sich online
engagieren werden dies auch meistens im Club tun und zumindest in Fritzlar hat
die Digitalisierung des Spielbetriebs für eine Vielzahl neuer Komponenten im
Clubleben gesorgt, die auch die soziale Interaktion belebt und verbessert
haben.
An dieser Stelle sei noch ein
kurzer Exkurs zum Thema Cheating (Betrügen) im Onlinebridge erlaubt. Wo
gespielt wird, wird geschummelt und wenn die Einsätze steigen wird betrogen.
Auch im Onlinebridge wird geschummelt und das geht in Zeiten der Flatrates,
Messengers und ICQs sehr leicht. Warum wird trotzdem gespielt und warum wird
nicht mehr betrogen?
BBO hat 3 auch bridglich sehr
kompetente Sachbearbeiter, die für die Bearbeitung der gemeldeten/vermuteten
Betrugsfälle zuständig sind. Diese benutzen ein äußerst effektives
Analyse/Katalogisierungstool, genannt Bridgebrowser. Mit Hilfe dieser
exzellenten Software lassen sich die meisten Betrugsfälle über eine
statistische bridgebezogene Analyse relativ schnell aufdecken und die
entsprechende IP-Adresse und der entsprechende Nick werden gesperrt.
Mit der Entwicklung von
Onlineidentitäten und der psychologisch begründeten Tatsache (Ja, auch eine
Wissenschaft Onlinepsychologie existiert inzwischen....), dass Betrug bei BBO
immer sehr stark an die eigene virtuelle Identität gekoppelt ist gelingt es so,
das Betrugslevel in dieser Gemeinschaft sehr niedrig zu halten. Zusätzliche
Softwaremechanismen bei masterpunktrelevanten Turnieren, oder bei Turnieren um
Geldbeträge machen Betrugsversuche teilweise unmöglich. Eine nachträgliche
oberflächliche Analyse aller im Rahmen der BBO-Liga gespielten Hände (1440)
ergab keine offensichtlichen Verdachtsmomente auf unfairen Vorteil. In einem
Fall musste sich der Fahrer eines Döner –Taxi`s verantworten, der durch
Anlieferung eines Döners („extra scharf“) beim Kunden für Hektik und somit für
ein skurriles aber den Kontrakt schlagendes Ausspiel gesorgt hatte.
All dies zeigt, dass beim
Onlinespiel im Rahmen der eigenen Bezugsgruppe kaum geschummelt wird, da das
Standing innerhalb der Gruppe und die Chance, auf gleichem Niveau zu spielen
einen deutlich höheren Wert besitzen als der Erfolg als solches. Anders liegen
die Dinge im Bereich des „social plays“(hier stören sich die Wenigsten daran.)
und im Bereich der masterpunktrelevanten Turniere. (Alle stört es, aber es wird
trotz des hohen Risikos, nämlich einer Sperre auch im Realbridge, immer wieder
versucht.)
Masterpunktrelevant? Ja, Sie haben
richtig gelesen. Immer mehr nationale Bridgeverbände haben ihre
Masterpunktordnungen umgestellt und erlauben zu einem gewissen %-satz die
Einbringung von online erworbenen Ranglistenpunkten auf das Konto des Spielers.
Am intensivsten hat die ACBL (American Contract Bridge League), der größte
Bridgeverband der Welt, die bridgetechnische Verschmelzung der virtuellen mit
der realen Welt betrieben. Onlinepunkte zählen zwar nur in der Kategorie
„Weiss“, können aber auf niedrigster Ebene bis zu 30% einer Qualifikationsstufe
ausmachen. Die Beweggründe hierfür liegen nach vorherrschender Expertenmeinung
weniger in der ungeheuren Progressivität und Zukunftsorientiertheit der ACBL
sondern eher in der einfachen Gleichung: Ranglistenpunkte = $.
Bild3.: Umsatz............
Die ACBL veranstaltet bei BBO,
OK-Bridge und bis vor kurzem auch bei Microsoftgames Onlineturniere, bei denen
Ranglistenpunkte erworben werden können. Die Spieler zahlen ein Startgeld,
welches sich der Verband und der Veranstalter teilen. Die Schätzungen über die
dadurch erzielten Einkünfte divergieren, jedoch bestreitet niemand, dass bei
täglich ca. 30 Turnieren je nach Vertragslage die Einnahmen der ACBL bei
deutlich jenseits der 150.000$/Jahr angesiedelt werden müssen. Verfolgt man die
momentane Entwicklung bei BBO sprechen einige Indizien dafür, dass in Europa
sowohl der italienische als auch der türkische Bridgeverband ähnliche Ansätze
diskutieren.
In Deutschland habe ich bisher die
Erfahrung gemacht, dass sich auf Grund diffuser Berührungsängste die Wenigsten
mit dem Thema Bridge/Digitalisierung/Internet auseinandersetzen. Dies gilt
sowohl für viele Entscheidungsträger auf Clubebene, als auch für Amtsinhaber
auf Bezirks- und Verbandsebene. Hier wären auf allen Ebenen mit Sicherheit
Maßnahmen zur Koordination und Weiterbildung möglich, wenn nicht sogar nötig.
So könnte man auf der einen Seite die Vorteile eines solchen Konstrukts auf
wirtschaftlicher/ didaktischer / organisatorischer/ sozialer Ebene zum Wohl
aller DBV-Mitglieder nutzen und entwickeln ohne auf der anderen Seite von den
negativen Auswüchsen dieser Entwicklung zu stark beeinträchtigt zu werden.