Wenn URSEL10a mit dem Hühnchen spielt..........

 

Was für ein skurriler Titel für einen Bridgeartikel wird der geneigte Leser denken, wenn URSEL10a dann jedoch das LOG-file vom Biettraining zum Server schickt dann wissen wir, dass es mal wieder um Online-Bridge geht.

Im Folgenden sollen einige Aspekte von Onlinebridge etwas genauer beleuchtet werden, die sich in den letzten 2 Jahren für unseren Club, den BC Yarborough Fritzlar e.V. als essentiell erwiesen haben. Im Wesentlichen geht es um die folgenden  Punkte:

 

1.)     Voraussetzungen zur Nutzung von Onlinefacilities  und E-Learning als zentrales Element der Aus/Fortbildung

2.)     Schlüsselqualifikation „Onlineidentität/Netiquette“ und Soziale Interaktion am Beispiel der BBO-Liga 2006 und der Schulpartnerschaft Fritzlar (Hessen) – Atlanta (Georgia)

3.)     Cheating im Onlinebridge..... ein Problem?

4.)     Perspektiven und Anregungen

 

Um das Geheimnis der Titelzeile zu lüften sei zuerst erwähnt, dass sämtliche Teilnehmer der Bridgeveranstaltungen der Fritzlarer Ursulinenschule während ihres dreimonatigen Bridgekurses mit den Spitznamen (Nicks) von URSEL1,URSEL2...usw. bis URSEL18 bei Bridge Base Online (BBO) in den Anfängerräumen unterwegs sind und der Autor dieser Zeilen bereits seit mehreren Jahren bei BBO unter dem Nick „chicken“ geführt wird.

Die große Zäsur im Bridgeleben unseres Clubs und unserer Schule muss im Frühjahr 2005 gesetzt werden, als unter hohem finanziellen Aufwand[1] eine Dupliziermaschine beim dänischen Bridgeverband gekauft wurde. Ab sofort waren sämtliche gespielten Austeilungen in digitaler Form vorhanden und somit internettauglich. Das Referenzprogramm im Bereich der Handgeneratoren ist wohl nach wie vor Dealmaster Pro©, welches sowohl die Erzeugung der normalerweise verwendeten La-Place (absolut zufälligen) Hände ermöglicht, über einzustellende Filter aber auch Hände zu wirklich jedem  Allein/Gegenspiel/Reizthema

 

 

Bild1:  Bridgeunterricht?

 

erstellen kann. Von diesem Moment an hatte das Internet Einzug in unseren Club gehalten. Für unseren Anfängerunterricht sowohl für Erwachsene als auch für Jugendliche bedeutet das, dass für den Unterricht generierte Hände als HTML-file verschickt werden, um z.B. spezielle Themen in der Reizung in Kombination mit online verfügbaren Dokumenten lesend einzuüben. Anschließend werden die Austeilungen bei BBO hochgeladen und besprochen, um am Ende nach einem Durchlauf durch die Dupliziermaschine auch noch f2f (face to face = Realbridge) gespielt zu werden.

Ich möchte an dieser Stelle keine (unzweifelhaft interessante) Diskussion über Pseudorealitäten, Internetparanoia etc. anstoßen, möchte aber betonen, dass sich meiner Meinung nach Internetbridge inzwischen neben dem traditionellen Bridge zwar etabliert hat, dieses aber niemals ersetzen kann, da entscheidende Komponenten bridgelicher Erlebnisebenen nicht reproduzierbar sind. Im Rahmen der Aus/Fortbildung bleibt das Internet ein Instrument zur Ökonomisierung und verbesserter Visualisierung, im Mittelpunkt ist und bleibt aber das f2f-bridge.

Auch Lernzielkontrollen und Evaluation werden durch Zuhilfenahme der Angebote von BBO vereinfacht. In einem sogenannten „Biettrainingsraum“ können die Anfänger die generierten Hände probereizen, eventuelle Gegenreizung übernimmt die KI. Jede Sitzung in einem solchen Raum wird protokolliert, das entsprechende Protokollfile kann problemlos vom Lehrer am Server oder zu Hause eingesehen werden, sodass eine schnelle, individuelle Rückmeldung erfolgen kann.

Im Idealfall finden solche Onlineeinheiten, wie bei uns, im PC-Saal einer Schule statt, ansonsten sind natürlich auch Unterrichtsmodelle möglich, bei denen jeder zu Hause an seinem eigenen Rechner sitzt. Die Generierung solcher Unterrichtsboards muss man zum größten Teil nicht mehr selber erledigen. Die Gemeinschaft der bei BBO Unterrichtenden (ca. 100 Personen) hat inzwischen die meisten *.lin-files (von BBO verwendete Programmiersprache) gepoolt, so dass jeder Lehrer auf einen nahezu unerschöpflichen Vorrat  zurückgreifen kann.

 

 

Bild2: Die Büchse der Pandora? Unsere Dupliziermaschine!

 

Auch im Bereich der Fortbildung unserer Clubmitglieder hat sich einiges getan. Am Mittwoch nach dem dienstäglichen Clubabend, an dem lediglich gedruckte Austeilungen zur Verfügung stehen, werden die Ergebnisse, die Privatscores und die *.pbn files (portable bridge notation) des Turniers auf die Homepage des Clubs gestellt. Da alle interessierten Mitglieder inzwischen im Besitz einer Software sind, die diese Files lesen, spielen und analisieren kann (überwiegend Jack 2.04. oder 3.0) , besteht hier mit den vorhanden Daten die Möglichkeit, allein oder mit dem Partner eine individuelle Nachbesprechung zu tätigen. Eine interne Auswertung nach Braun  ergab, dass sich diejenigen Mitglieder, die von dieser Option regelmäßig Gebrauch machen im Vergleich zu den restlichen Spielern deutlich schneller weiter entwickeln. Auch das Interesse an sogenannten „Improvementabenden“ ist dadurch deutlich gestiegen. Im Rahmen dieser Veranstaltungen wird ein Barometerturnier (Dupliziermaschine!) mit reduzierter Boardzahl, meistens ca. 20, gespielt und nach jeder Runde werden ein oder zwei Boards via Beamer auf eine Leinwand projiziert und besprochen. Inzwischen laden mehr als 1/3 der Turnierteilnehmer des BCY die Hände auf ihren eigenen PC, ein Beweis für die Akzeptanz dieser Methode.

Auf regionaler Ebene werden im Bezirk Nordhessen seit 2005 alle Turniere mit duplizierten Händen gespielt. Im Anschluss an die Bezirksturniere werden die Hände jeweils am folgenden Mittwoch bei BBO hochgeladen und besprochen. Da die wenigsten Bridgeclubs über internetrelevante Strukturen verfügen, schwankt hier die Beteiligung externer Spieler zwischen 4 und 15, jedoch ist ein Trend zur Steigerung festzustellen. Dies ist verständlich, da in der ersten Zeit Berührungsängste und Vorbehalte („immer diese Computerhände, die Trümpfe stehen schon wieder 4-1“ aber auch die zunehmende Dämonisierung von einfachen 7er-Längen die von einer diabolischen Software kreiert werden.J) abgebaut werden mussten.

 

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[1] Die Gesamtkosten incl. Boards/Karten lagen bei ca. 2000€. Bei anderen Anbietern liegt man etwa bei 3000€