Vefolgt man die aktuelle Diskussion im DBV über die
Problematik von Jugendarbeit im Bridge kommt man immer wieder zu dem Schluß,
dass von Seiten des DBV zwar ein massives Interesse an Maßnahmen zur
Jugendförderung besteht, ein einheitliches und koordiniertes Vorgehen aber
immer wieder scheitert. Aus diesem Grund möchte ich das Konzept, das in
Fritzlar angewand wird kurz vorstellen.
Kinder dazu zu bewegen, sich mit Bridge zu beschäftigen
ist nicht weiter schwierig. Wie in allen Sportarten geht es vielmehr darum,
durch kurze kindgerechte „Crash-Kurse“ und ähnliche Maßnahmen die intrinsische
Motivation der Jugendlichen zu fördern, um sie längerfristig an den Sport zu
binden. Dies ist ohne eine intensive Arbeit der Clubs nicht möglich. Ein
Konzept, welches Bridge für Jugendliche nur im Rahmen von Schule oder nur im
Rahmen von Bridgeclubs anbietet scheint mir von vornherein zum Scheitern
verurteilt, da hier entscheidende Segmente jugendlicher Erlebniswelten
vernachlässigt werden.
Die erste Hürde besteht mit Sicherheit darin, Schulämter
und Schulleitungen vom pädagogischen
Wert des Bridgespiels zu überzeugen. Das Material um diese Arbeit zu leisten
ist mit Sicherheit vorhanden, jedoch müssen spezielle Faktoren der Institution
Schule besondere Berücksichtigung finden. An erster Stelle sei hier die
hierarchische Struktur von Schule genannt. Der bridgebegeisterte Lehrer kann
sein Konzept noch so kompetent und begeistert vortragen, innerhalb einer Schule
wird er bei der Schulleitung immer in der Rolle des Bittstellers vorsprechen.
Lassen sich auf diesem Sektor Probleme
bereits im Vorfeld antizipieren, empfiehlt es sich dem Hierarchieproblem die
eigene Organisationsstruktur entgegenzusetzen. „Der Präsident des
Landesverbands/Bridgebezirks x bittet um einen Termin bei Rektor y!“
Spätestens zu diesem Zeitpunkt einer Konzeptumsetzung
zeigt es sich inwieweit man die lokale Presse im Vorfeld von der „guten Sache“
überzeugt hat. Ein kurzer Artikel am nächsten Tag in der Lokalpresse ist ein
Druckmittel, welches an Wert kaum zu überbieten ist.
Auch innerhalb des lokalen Clubs sind infrastrukturelle
Maßnahmen nötig. Der Vorstand des Clubs muss sich darüber im Klaren sein, dass
Kinderbridge Geld kostet. Der BC Yarborough Fritzlar hat im ersten Jahr seines
Juniorenbridgekonzeptes fast 1000- DM für die Betreuung der 6 Jugendlichen
ausgegeben. Interressant hierbei lediglich die Tatsache, dass der Großteil des
Geldes für die Verpflegung der Jugendlichen bei Turnieren (18,-DM für ein Jägerschnitzel mit Pommes
auf einem Bezirksturnier sind eher taschengeldunfreundlich) oder im Rahmen
anderer Maßnahmen (gemeinsame Mc Donaldsbesuche zur Förderung von Gruppenidentität)
ausgegeben wurden. Weiterhin sollte im Rahmen der Clubarbeit der Kontakt mit
den Eltern gepflegt und intensiviert werden. Um die Eltern zu entlasten sollte
über die Einrichtung von Fahrdiensten
nachgedacht werden. All das kostet Zeit, Geld und Arbeit.
Auch von den Clubmitgliedern wird einiges verlangt.
Verabschieden sie sich von den ruhigen (toten?) Clubabenden, jetzt kommt Leben
in die Bude!!! Auch wenn Jugendliche sich bemühen, sie sind einfach lauter als
der normale Bridgespieler.
Sie spielen Kontrakte im Stehen ab, sie trinken Milchshake
während des Spiels und haben auch untereinander einen manchmal sehr rauhen
Umgangston. Um das zu kompensieren und die Jugendlichen in das Vereinsleben zu
integrieren, spielt der BCY häufiger Individualturniere (Machen sie das Mal
ihren Mitgliedern klar!) oder Teamturniere mit 5 Teilnehmern pro Team.
(„Kiebitzen bildet“ und man kann mal 10 Minuten den Spielsaal verlassen) All
das sind Maßnahmen, die von allen getragen werden müssen, sonst ist ein
funktionierendes Juniorenbridgekonzept nicht durchführbar.
Die Ursulinenschule ist eine Gesamtschule mit besonderer
pädagogischer Orientierung in kirchlicher Trägerschaft. Bridge wird im Rahmen
der Freizeiterziehung in den Klassen 8 und 9 angeboten. Der Unterricht findet
in den Clubräumen des BCY in Fritzlar statt. Hier wird dem didaktischen Konzept
außerschulischer Lernorte Rechnung getragen. Eine Gruppe besteht aus 16
Schülern aller Schulformen. Ein Kurs dauert 3 Monate, da die Freizeiterziehung
in Trimestern angeboten wird. Ab Sommer 2001 wird zusätzlich eine 2-stündige
Bridge-AG angeboten, in der die interressierten Schüler eine weitere Plattform
zum Bridgespiel nutzen können. Einmal im Jahr findet eine Schulmeisterschaft
statt. Die Zusammensetzung der Lerngruppe ist äußerst heterogen, d.h. das
Spektrum der Motivation reicht von „das
möchte ich lernen“ bis „ich sitze hier meine 3 Monate ab, weil irgendwas muß
ich ja belegen“.
An dieser Stelle muß eine eindeutige Definition der
Lernziele erfolgen, die der Heterogenität der Lerngruppe entspricht. Der
relative hohe Anteil nur bedingt motivierter und aufnahmeschwacher Schüler
verbietet es davon zu träumen, am Ende des Kurses 16 Kinder zu haben, die die
Grundzüge der Forum-D Reizung verstanden haben und im Wesentlichen imstande
sind Bridge zu spielen. Eine einseitige Orientierung hin zu den
leistungsschwachen/starken Schülern scheint ebenfalls nicht angebracht, denn
die motivierten, interressierten Schüler sollten am Ende des Kurses imstande
sein, am wöchentlichen Clubabend des BCY teilzunehmen, während man bei den
Leistungsschwächeren eher das gemeinsame Spiel ,den Umgang mit Regeln und die
Fähigkeit zur Konzentration also sozial-interaktive Lernziele in den
Vordergrund stellen sollte. Die Lösung dieses Dilemmas liegt in einer
Ausweitung des Mini-Bridge Prinzips.
Als Beispiel hierfür mag eine Reizung dienen, die in der
10. Von 11 Doppelstunden des letzten Trimesters stattfand:
N/S: Michael und Sandra (motiviert, sehr aufnahmefähig)
O/W: Martin/Maria (eher das Gegenteil)
N O S W
2! „8Punkte“ 2! „13Punkte“
2 Wir haben die Mit Verteilung ham` Na gut!
Punkte! wir mehr!!!
Süd hatte sich für einen 4er Anschluß
und 2dbl 3FVP dazugerechnet und N wurde Alleinspieler. Wären O/W Alleinspieler
geworden, wäre das Spiel nach Minibridgeregeln weiter gegangen.
Nach diesem Schema ist es ohne Weiteres möglich,
leistungsstarke und schwächere Schüler gemeinsam Bridgespielen zu lassen ohne
jemanden zu unter/überfordern. Während einige der Teilnehmer bis zum Ende des
Kurses nicht über Mini-Bridge hinauskommen, besteht für andere Schüler die
Möglichkeit alle Elemente des Minbridge nach und nach durch Forum-D Gebote zu
ersetzen.
Der Übergang vom Mini-Bridge hin zum Bietsystem Forum-D
ist auf didaktischer Ebene ein äußerst schwieriges Unterfangen. Mehrere Gründe
sprechen dafür, das System gerade im Jugendbereich etwas anzupassen.
a.)
Kinder wollen reizen.
b.)
Kinder wollen lieber reizen, als sich theoretische
Abhandlungen über die 1
Eröffnung anzuhören.
c.)
Aus Ökonomiegründen sind vorduplizierte Boards nur
bedingt zu verwenden.
d.)
5 gespielte Boards in 2 Stunden sind zuwenig.
Meine bisherigen Erfahrungen mit Bridgekursen anderer Bridgelehrer bestanden darin, dass nach einer kurzen Phase des Mini-Bridge der Theorieanteil in den Stunden sehr stark anstieg und selbst Erwachsene sehr oft vor der ungeheuren Informationsmenge kapitulierten. Die Struktur der Kurse orientierte sich sehr stark an den einzelnen Eröffnungen. Thema heute: „Die 1-Eröffnung und ihre Antworten!!“
Der Nachteil dieses Ansatzes besteht darin, dass Reizung
auf einer abstrakten und vom Spiel losgelösten Ebene vermittelt wird, womit
speziell die Analogie Reizung/Sprache als vermittelndes und lernförderndes
Element in den Hintergrund tritt. Zusätzlich wird in der ersten Phase eines
Kurses keine Reizung am Tisch entstehen, sofern man die Boards nicht vordupliziert, da 70% der Boards keiner
bekannten Eröffnung entsprechen. Im Gegensatz zum erwachsenen Spieler haben
Kinder eine geringere Frustrationstoleranz und ein solcher Ansatz im
Kinderbridge scheint mir daher nicht sehr erfolgsversprechend.
Nachdem sich an der Ursulinenschule Fritzlar jetzt die 21.
Schülergruppe zum Bridgeunterricht trifft und in den vergangenen Jahren ca. 20
der Teilnehmer dem BCY beigetreten sind scheint es mir, dass Bridgeunterricht
doch eher im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes, als auf
analytisch-syntetischer Ebene durchgeführt werden sollte.
Dieser ganzheitliche Ansatz
basiert auf 3 Dingen:
a.) Betonung
der Analogie Reizung/Sprache
b.) Dem Forum-D
Eröffnungsschieber (siehe downloadbereich)
c.) Dem
Hand-out „Die 9 Gebote der Reizung“ (siehe downloadbereich)
Vorausgesetzt werden:
Wissen um Terminologie
Korrekter Umgang mit FP und VP
Bedeutung von Vollspielen
Wissen um die Kriterien einer
SA-Verteilung
Die 8. Gebote der Reizung
1.) Die erste Farbreizung des
Antwortenden, die nicht im Sprung geschieht, verspricht eine 4er-Farbe.
Ausnahme: 1 -2
verspricht ein 5er!!
2.) Eine
1 über 1 Reizung (Ausnahme 1NT 6-9) forciert den Eröffner nochmal zu sprechen.
3.) Eine
2 über 1 Reizung (Ausnahme 2NT 10-11) zeigt 10+Punkte und forciert den Eröffner
nochmal zu sprechen
4.) Die
Hebung von Eröffners Farbe um 1 verspricht einen Fit und 6-9 Punkte.
5.) Die
Hebung von Eröffners Farbe um 2 verspricht einen Fit und 10-11 Punkte.
6.)Die
Hebung von Eröffners Farbe ins Vollspiel verspricht einen Fit und eine eigene
Eröffnung.
7.)Die
Wiederholung einer vorhergenannten Farbe verlängert diese um +1.
8.)Alle
Sprünge in einer Farbe, die keinen Fit versprechen forcieren zum Vollspiel.
9.)Eröffnung+Eröffnung = Vollspiel
Die Erfahrung lehrt, dass die Kinder, ausgerüstet mit
diesem Instrumentarium innerhalb von 2 Doppelstunden spielerisch die Grundzüge
der Reizung erfahren und erproben können ohne das das eigentliche Spiel
vernachlässigt wird. Wichtig ist immer wieder zu betonen, dass bei unklaren
Situationen die Elemente des Minibridge weiterhin benutzt werden können.
Speziell die Gegenreizung wird bei dieser Spielform noch sehr stark dem
Mini-Bridge ähneln.
Dem System-Puristen wird aufgefallen sein, dass es sich
bei der Folie für den Eröffnungsschieber (Die Folie wird in eine Art
Rechenschieber eingelegt, mit einem Schlitten stelle ich die Punktzahl ein und
kann so mein korrektes Eröffnungsgebot ablesen) nicht um reines Forum-D
handelt. Die Aufnahme von Weak-2 Geboten und 22
Semi/Partieforcing erfolgte
a.) um den Anfänger mit dem Grundgedanken preemptiver
Reizung von vornherein vertraut zu machen. (Machen sie einer 13-Jährigen mal
klar warum sie mit ADB10xx in nicht reizen darf, aber ein xxx in eröffnen soll)
b) um die Ambivalenzen einer 1UF Eröffnung zu vermeiden.
Mit Hilfe einer 2 „Goofy“
Eröffnung erhält das Eröffnungsschema
eine Struktur, die auch Jugendlichen begreifbar zu machen ist. Die
Erfahrung zeigt, dass es überhaupt kein Problem ist dem Anfänger später (Im
Club/in der AG) präzisere Kriterien für ein Semiforcing beizubringen und
ihm/ihr alternative Lösungen (Reverse, etc.) anzubieten.
Auch in der Phase in der die Schüler erproben, inwieweit
sie mit ihrer Reizung in die mehr oder weniger richtigen Kontrakte kommen kann
man die Boards bereits durch die Gruppe rotieren lassen, um die Schüler auf das
Sportbridge vorzubereiten und um interne Strukturen in der Gruppe entstehen zu
lassen. Nur wenn ich mich mit meinen Mitschülern vergleichen kann und dadurch
Rangordnungen entstehen, werden langfristig intrinsische
Motivationsstrukturen aufgebaut, die den Bridgeeleven langfristig
an den Sport binden. Ein weiterer Grund die Boards an mehreren Tischen spielen
zu lassen sind die 1SA, 2 und 2
Eröffnung. Nach diesen Eröffnungen werden die Schüler sehr oft in Mini-Bridge
Sequenzen überwechseln. Als Lehrer braucht man auf diese Hände nur zu warten,
da die Schüler die mangelnde Fähigkeit zur Weiterreizung selbst als Manko
empfinden werden. (Zur Not muss nach 2 Wochen doch mal eine Hand vorgesteckt
werden). Im Gegensatz zu traditionellen Ansätzen kann sich der Dozent jedoch
der ungeteilten Aufmerksamkeit sicher sein, da jetzt ein Problem der Schüler
(Wie reize ich diese Hand?) und nicht des Lehrers (Wie bringe ich dem Schüler
die 2Eröffnung
bei?) vorliegt.
Abschließend läßt sich sagen, dass meiner Meinung nach
bei genügendem Einsatz eines Clubs bei gleichzeitiger Ausnutzung und Schaffung
von Infrastrukturen ein funktionierendes Juniorenbridgekonzept keine Utopie
sein sollte.